Living History – gelebte und lebendige Geschichte
Geschichte ist keinesfalls etwas Abgeschlossenes, Totes ohne Bezug zu aktuellen Entwicklungen, Ereignissen und Personen.
Geschichte ist die Basis, das Geschehene, auf dem alles Folgende aufbaut. Man kann das Heute nicht verstehen, wenn man nicht weiß, wie es zustande gekommen ist.
Living History entwickelt sich immer stärker zu einem Mittel der populären Geschichtsvermittlung in unseren Museen und Medien. Und selbst Darsteller, die einen solchen Anspruch für sich selbst gar nicht erheben, prägen das populäre Geschichtsbild dennoch mit, sobald sie sich in der Öffentlichkeit bewegen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das Bild der Vergangenheit, das an sich schon nur ein Konstrukt der Wissenschaft darstellt, nicht durch persönliche Unzulänglichkeiten oder eine eigene politische oder religiöse Agenda noch weiter zu verfälschen.
Das Ziel der Aachener Erklärung ist es, die Living History für diese Gefahren zu sensibilisieren und ihre Glaubwürdigkeit gegenüber der Gesellschaft zu stärken.
Vielleicht kann sie auch der Anstoß dazu sein, dass sich Darsteller zusammenfinden und gemeinsam Lösungen diskutieren.
Pressetext der Initiatoren Andreas Sturm & Sybille A. Beyer zur Aachener Erklärung
Der Vorfall um die SS-Tätowierung bei der Eröffnung der Ausstellung „Eine Welt in Bewegung“ in Paderborn hat nach der Mannheimer Erklärung in den Reihen der Living Historians wie auch der Wissenschaft ein großes Echo hervorgerufen. Wir waren zu einer daraufhin einberufenen Podiumsdiskussion nach Paderborn gekommen und sehr bestürzt über die Emotionalität der Debatte. Die Verunsicherung und auch Ratlosigkeit in Teilen des Publikums war regelrecht mit den Händen greifbar. Unkenntnis über die jungen Phänomene „Living History“ und „Reenactment“ vermischte sich mit den Ängsten vor Rechtsradikalismus und einem christenfeindlichen Neuheidentum.
An diesem Tag wurde uns deutlich, dass sich ein enormer Vertrauensverlust in der Wissenschaft und den Museen abzuzeichnen begann und alle Geschichtsdarsteller in Gefahr waren, in Generalverdacht genommen zu werden.
Dies schmerzte uns umso mehr, als wir erst wenige Wochen zuvor auf einer Fachtagung im Freilichtmuseum Kiekeberg das junge Pflänzchen „Living History in Freilichtmuseen“ unter positiven Vorzeichen mit Vertretern der internationalen Museumslandschaft diskutiert hatten. Bald kam deshalb in uns der Wunsch auf, ein deutliches Zeichen zu setzen für die Integrität der Mehrheit der deutschen Geschichtsdarsteller, damit Living History als Ganzes nicht durch Einzelne diskreditiert würde. Daraus entstand schließlich die Aachener Erklärung.
Warum der Name?
Aachen war die Lieblingspfalz Karls des Großen, der von seinen Zeitgenossen als der pater europae gepriesen wurde (damals freilich mit einer anderen Bedeutung als heute). Im Oktogon des Domes empfingen viele der deutschen Könige ihre Krone. Aachen lag also lange Zeit im Fokus deutscher Geschichte. Heute steht Aachen mit dem Internationalen Karlspreis für die friedliche Einigung Europas. Deshalb erschien es uns mehr als angemessen, eine so grundsätzliche Erklärung zur Geschichtsdarstellung nach diesem geschichtsträchtigen Ort zu benennen.
Das Ziel
Wir hoffen, dass die Aachener Erklärung dazu beitragen kann, dem Vertrauensverlust entgegenzuwirken, den die Living History in der Wissenschaft, aber auch der Öffentlichkeit erlitten hat. Mit jedem einzelnen Unterzeichner, der die Aachener Erklärung mit seinem Namen unterstützt, wächst das Gewicht der Botschaft, die die Aachener Erklärung an die Gesellschaft sendet.